Hendrik M. Lange

Ein Haus erzählt Geschichte

Das Hotel Tenbrock in Gescher

2022


Das Hotel Tenbrock in Gescher, 2022.

(Foto: H. M. Lange)

Das Hotel wird britische Kaserne auf Zeit

Am 30. März 1945 marschierten britische Truppen in Gescher ein und beschlagnahmten sogleich zwei Dutzend Gebäude ganz oder teilweise. Das Hotel Tenbrock gehörte dazu und wurde zur vorläufigen Unterkunft für britische Soldaten. 1946 konnten Josef Tenbrock und seine Schwester das Hotel wieder übernehmen.

Kino: Politik UnterhaltungSkandal

Die britischen Besatzer führten den Deutschen im Kinosaal die sogenannten KZ-Filme (mit schrecklichen Szenen bei der Befreiung der NS-Lager) vor. Am 3. August 1945 setzten dann die „normalen“ Filmvorführungen mit dem Streifen „Hauptsache glücklich“ und 1100 Besuchern wieder ein. 1543 Zuschauer sahen die „Geierwally“, 1743 den „Tanz mit dem Kaiser“. Ablenkung war alles.

Hotelier Michael Kösters hatte von seinem Vater die Geschichte erzählt bekommen, dass 1951 der erste Filmskandal der Bundesrepublik auch die Gescheraner bewegte. Hildegard Knef spielte die weibliche Hauptrolle in dem Film „Die Sünderin“ von Willi Forst. Nach 70 Film-Minuten sieht – oder vielmehr erahnt – man dann für ein paar Sekunden ihre blanke Brust: ein Skandal, vor allem für die katholische Kirche. Die Pfarrer wetterten in ganz Deutschland gegen den anrüchigen Film: die perfekte Werbung! Nach der Messe wollten über 500 Mann den Film in Gescher sehen.

Die deutsche Filmkomödie „Ohne Mutter geht es nicht“ (siehe Foto) erschien im November

1958; wahrscheinlich wurde der Film 1959 in Gescher gezeigt – der Baum trägt noch grüne Blätter.


Filmwerbung an der
Fassade des Hotels.

Die Aufnahme entstand vermutlich 1959.

1947: Konrad Adenauer in Gescher

Noch als CDU-Vorsitzender der britischen Zone nahm Konrad Adenauer (1876-1967; erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland 1949-1963) am Kreisparteitag der CDU in Gescher teil. Seine Rede bei der öffentlichen Großkundgebung am 7. September 1947 hörten tausende Menschen, in den Sälen und mittels Lautsprechern auf der Straße.



Konrad Adenauer besuchte den CDU-Kreisparteitag
(6./7.9.1947) im Saal Tenbrock.
Zweiter von links ist der Kaufmann Bernhard Mensing, Vorsitzender der CDU Gescher.
(Quelle: Stadtarchiv Gescher, Nr. 26326)

1948: Beginn der Königsgalerie

Während im Hotel zur Krone (Grimmelt) die Gescheraner Karnevalsprinzen und die bislang einzige Karnevalsprinzessin verewigt sind, kann man im Hotel Tenbrock die Königsgalerie der St. Pankratius-Schützengilde ab dem Jahr 1948 bewundern.


1949: Familie Kösters
übernimmt das Haus Tenbrock

1949 stieg Friedrich (Fritz) Kösters mit seiner Frau Anneliese (geb. Kruse) in das Hotel mit ein. Da Josef Tenbrock nicht verheiratet war und keine Kinder hatte, vermachte Auguste Kruse das Hotel ihrer einzigen Tochter Anneliese. 1958 wechselte der Name der Inhaber Familie von Tenbrock auf Kösters, es war aber wichtig, den bekannten Namen weiterzuführen. Und so lautet auch heute noch der offizielle Firmenname des Hotels: Hotel Josef Tenbrock (mit dem Zusatz „Inhaber Michael Kösters e.K.“). Die Besitzer konzentrierten sich auf das Hotel- und Gaststättengewerbe, während das Kolonialwarengeschäft und die Bäckerei 1964 aufgelöst wurden.


Beginn des Wirtschaftswunders

In Zeiten des Wirtschaftswunders fanden auch wieder Mode- und Gewerbeschauen im Festsaal statt, wovon zwei Aufnahmen aus der „Werbeschau“ von 1954.

Um 1954: Werbeschau im Saal Tenbrock u.a. mit Textil-Kösters.
Links die Zuschauer Helmut Krabbe und Erich Sandschepper.
(Foto: Foto-Kortbus. Quelle: Stadtarchiv Gescher, Nr. 6248)

Um 1954: Werbeschau im Saal Tenbrock u.a. mit Textil-Kösters.
(Quelle: Stadtarchiv Gescher, Nr. 6247)

Seit 1973 führten Wilhelm Kösters und seine Frau Anneliese das Hotel und passten es an die Erfordernisse der Zeit an – zum Beispiel mit dem Neubau eines weiteren Saals und zweier Bundeskegelbahnen im Jahr 1979.

Büttabend im Saal Tenbrock.
Gescher ist eine Karnevalshochburg im Münsterland.
(Foto: XXX)

Während des Kalten Krieges (1945 – 1989) nahmen auch Bundeswehrsoldaten an den lokalen Feierlichkeiten in Gescher teil. Die Wehrkameradschaft (Nachfolgerin des „Kriegervereins“) bekam 1974 die dritte Kompanie des Fernmeldebataillons 110, stationiert in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne in Coesfeld-Flamschen, zum Paten. Die Soldaten nahmen an den Vereinsfesten und an den Paraden durch den Ort teil, damit „ist eine gute Möglichkeit zu noch besseren Kontakten der Bürger in Uniform und der Bevölkerung hergestellt worden“ (aus: 100 Jahre Kameradschaft, S. 157). Stabsquartier bei den Festen war das Hotel Tenbrock, die Offiziere und die Vereinsmitglieder erschienen mit ihren Ehefrauen.


Luftaufnahme vom 13. September 1977.
(Foto: Stadtarchiv Gescher, Nr. 3835)

Literatur zum Thema

100 Jahre Kameradschaft. Vom Kriegerverein zur Wehrkameradschaft. Hg. v. Heimatverein Gescher/Wehrkameradschaft Gescher (Heimatbuch Gescher, Band 9), Dülmen 1990.

400 Jahre St. Pankratius Schützengilde Gescher e.V. 1605 – 2005. Hg. v. Pankratius Schützengilde e.V. Coesfeld 2004.

Wiemold, Willi: Gescher im 20. Jahrhundert. Die Jahre 1931 bis 1950 in Bildern und Berichten, Gescher 2015.

Hendrik M. Lange, 2022 / 2025