Wahr oder unwahr …
Hat Theodor Fontane Reisenotizen aus Bocholt hinterlassen?
Hat Theodor Fontane Reisenotizen aus Bocholt hinterlassen?
Die „Frankfurter Allgemeine“ am Sonntag berichtet am 16.11.2002
Unentdeckt
Fontane-Freunde waren in heller Aufregung. Freitagnachmittag meldete die Deutsche Presse-Agentur, der Antiquar Rainer Heeke aus dem holländischen Bredevoort habe auf einem Dachboden in Bocholt bislang unbekannte Texte Theodor Fontanes entdeckt. Im Jahr 1871, auf dem Rückweg von der Front in Frankreich, habe er dort Briefentwürfe und Reisenotizen zurückgelassen, die jetzt endlich gefunden wurden. Das Potsdamer Fontane-Archiv bewahre die guten Stücke schon. Doch ein Anruf bei jenem Archiv ergab, daß dort keinerlei Reisenotizen abgegeben worden waren. Aber der Bocholter Fontane-Kreis, der müsse es wissen. Doch auch der Fontane-Freundin Frau Stappenbeck, die in Bocholt zu erreichen war, waren die neuen alten Texte nicht bekannt. „Dabei informiert uns Herr Heeke sonst über jedes neue Fontane-Buch, das er ersteht.“ Und Antiquar Heeke? Ist verschwunden, seit er die Nachricht in die Welt setzte, antwortet nicht auf Anrufe, schweigt auf Nachfragen. Schließlich mußte auch die dpa in Münster, die die Meldung in die Welt gesetzt hatte, geknickt gestehen, daß man einfach einem einzigen Anruf geglaubt habe, schnell eine Meldung daraus machte und nicht einmal im Fontane-Archiv gegenrecherchierte. Und jetzt warten also Fontane-Freunde, -Archivare, -Forscher auf das Wiederauftauchen des übereifrigen Antiquars. Und seine geheimnisvollen Fundstücke.
Ein bis zum 21. November 2023 unveröffentlicht gebliebener Pressebericht erzählt eine merkwürdige Geschichte. Eine sonntägliche Fontane-Performance in Bredevoort hatte offenbar ein Nachspiel. Im Mittelpunkt: der Antiquar Rainer Heeke. Lesen Sie selbst!
Bredevoort. Die Meldung des vergangenen Wochenendes könnte lauten: „Rainer Heeke von der niederländischen Polizei verhaftet“.
Wahr oder unwahr?
Zumindest gibt es mehr als 20 Augenzeugen, die bestätigen könnten, dass der Antiquar am Sonntagmittag aus der Gaststätte „Wapen van Bredevoort“ von einem Mann in Polizisten-Uniform gewaltsam abgeführt wurde.
Und da geht der Mechanismus schon los: Was kann Heeke verbrochen haben? Ist eine Theodor-Fontane-Performance, wie sie da gerade stattfand, in Holland womöglich verboten? Weil den Dichter dort niemand kannte?
Nun, zumindest damit hat es seit Heekes Schelmenstück ein Ende. Der „Privatbesitz“ an Theodor Fontane und dessen Werk, den bislang offenbar diverse Institute und Gesellschaften in der Republik für sich reklamierten (die durch Heekes Aktivitäten nun auch bundesweit bekannt geworden sind), scheint ins Wanken zu geraten. Sogar die erste niederländische Transkription des Fontane-Hits „Ribbeck auf Ribbeck“ existiert bereits – seit dieser denkwürdigen Performance im „Wapen van Bredevoort“.
Heeke ist der Unwahrheit bezichtigt. Und offenbar überführt. Was ist aber, wenn man nicht nur auf die Extreme schaut, auf „wahr“ und „unwahr“ – dazwischen nichts gelten lässt?
Wie wäre es, wenn man den Begriff einer „temporären Wahrheit“ akzeptiert? Rainer Heeke nennt das „unwiederbringlich wahr“. (…)
Der nach Bocholt zugezogene Archivar aus Bredevoort und der Bocholter Fontane-Kreis reagierten prompt und bereiteten einen eigenen Fontane-Abend vor.
Die interessierten Bocholter Bürger waren, wie Antiquar Heeke an jenem 21. November 2023 berichtete, offenbar maßlos enttäuscht, so wenig über den Fund zu erfahren, dass die Empörung in eine Belagerung des Archivars umschlug, der geplante Fontane-Abend vom Veranstalter abgesagt wurde und der Arme sich weiteren Bedrängnissen entzog.
Gab es diese Reisenotizen Theodor Fontanes, in Bocholt aufgeschrieben? Waren die aufgefundenen Papiere echt, oder hatte jemand die Wahrheit frevlerisch mit Füßen getreten und hatte sich einen Scherz erlaubt???
21 Jahre später sah der Bocholter Fontane-Kreis die Zeit gekommen, für Klarheit zu sorgen, indem man den ausgefallenen Fontane-Abend nachholte, natürlich als Fontane-Performance. Dazu gehörte auch eine Übertragung des berühmten Gedichts „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ ins Niederländische.
Mit der knapp an der Wahrheit vorbeischrammenden musikalischen Begleitung – ein Solo für Bratsche von Max Reger, das dieser dem verehrten Freund Fontane widmete? – von Dominica Eyckmans, die die „musikalischen Zwischentöne“ auf Harfe und Bratsche darbot. Und: Wo blieben die Fundstücke??? Rätselhaft.
Mit Rainer Heeke & Friends, den verhinderten Mitspielern von damals, die ihre Beiträge präsentierten, gab es keine Aufklärung über die alte Frage: Was ist Wahrheit? Aber einen höchst amüsanten und doch des alten Fontane würdigen Abend. Chapeau! BF